Die Lage in Afghanistan wird immer gefährlicher. Dorthin abzuschieben, ist unmenschlich – und zu glauben, die bisherige Flüchtlingspolitik einfach fortführen zu können, ohnehin ein Trugschluss.
Ist es moralisch und rechtlich vertretbar, Menschen in ein Kriegsgebiet abzuschieben? Nein. Ist Afghanistan ein Kriegsgebiet? Gestern haben die radikal-islamischen Taliban eine Residenz des Verteidigungsministers in Kabul angegriffen. 13 Menschen starben dabei.
Niemand kann Sicherheit garantieren
Die afghanische Regierung und die USA werfen den Taliban menschenverachtende Verbrechen vor. Sie töten Zivilisten, sie nehmen Frauen und Kinder als Schutzschilde, um afghanische Sicherheitskräfte anzugreifen. Schiebt Deutschland jetzt Männer nach Afghanistan ab – es besteht die Gefahr, dass sie umgebracht werden oder sich den Taliban anschließen müssen.
Das ist nichts Neues, das stimmt. Und auch Bombenanschläge in Kabul sind das laut dem Bundesinnenministerium nicht. Bisher konnten die Männer aber immerhin weiterfliehen: in den Iran, nach Pakistan oder in die Türkei – doch das wird immer schwieriger. Die afghanische Regierung selbst sagt, sie kann nicht für die Sicherheit der abgeschobenen Männer sorgen und hat um einen Abschiebestopp gebeten.
Schwanken zwischen Menschenrecht und Populismus
Die Bundesregierung aber ignoriert das einfach. Wir wollen weiter konsequent Straftäter abschieben, das sagen die Unionspolitiker Horst Seehofer und Armin Laschet. Selbst die SPD macht Wahlkampf mit dem Thema und befürwortet die Abschiebungen: zumindest Franziska Giffey, die Regierende Bürgermeisterin in Berlin werden will. SPD-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans hingegen nennt Seehofer und Laschet Populisten und sagt, niemand dürfe in den Tod geschickt werden.
Die SPD scheint sich noch nicht ganz entschieden zu haben: zwischen Menschenrechten oder Wahlkampf-Populismus. Für Populisten ist es leicht, das Argument zu bringen: Wer Straftäter nicht abschiebt, gefährde die Sicherheit der deutschen Bürger – und besonders gern wird die Sicherheit der Bürgerinnen hervorgehoben. Nur: Auch Straftäter haben ein Recht auf Sicherheit und Leben.
Flüchtlingsabkommen wird Afghanen nicht mehr aufhalten
In Afghanistan wird bald ein Bürgerkrieg toben, den die afghanischen Sicherheitskräfte nicht gewinnen können. Trotz dieses Wissens dorthin abzuschieben, ist unmenschlich. Dem Wähler vorzugaukeln, es sei möglich, die bisherige Flüchtlingspolitik weiterzufahren, ist eine Täuschung.
Millionen Afghanen drohen zu Flüchtlingen zu werden. Das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei wird sie auf ihrem Weg in die EU nicht mehr aufhalten. Und dann wird auch der Wähler mehr erwarten, als dass die Bundesregierung sechs Männer in einen Flieger nach Kabul setzt.